neulich nachts, auf dem heimweg von einem bezaubernden abend mit kollegin cinghialina, schlenderte ich über eine brücke. da sah ich einen offensichtlich stockbesoffenen mann, der am brückengeländer lehnte und anstalten machte in die pechschwarze tiefe zu pissen. nachdem ich wusste, dass sich diese brücke über eisenbahngleise samt stromdurchfluteter oberleitungen spannt, interpretierte ich das vorhaben des betrunkenen als lebensgefährliches unterfangen. als der mann mich entdeckte und bemerkte, dass ich ihn beobachtete, geschah das, was so manchem leser dieser zeilen schon einmal am pissoir passiert sein könnte: allein der verdacht, dass du beim pissen vom nachbarn beobachtet wirst, führt dazu, dass es zu einer dieser peinlichen, unerträglichen und scheinbar irreparablen urinalen blockaden kommt. in meinem fall bzw. im fall des mannes am brückengeländer eine lebensrettende psychosomatische reaktion. doch was sollte ich jetzt tun? wieder wegsehen und damit die blockade lösen und dem tödlichen urinstrahl freien lauf in den elektrifizierten abgrund lassen? oder den betrunkenen durch zuruf warnen und ihm verständlich machen, worauf er sich gerade anschickt sein wasser zu lassen? würde er dies in seinem betrunkenen zustand verstehen oder glauben? oder ihn via spiegelneuronen bei der aufrechterhaltung seiner hemmung mental unterstützen? dabei noch näher treten, den genitalbereich des mannes visuell fixieren, sodass jeder tropfen bereits vor dem austritt förmlich zu beton gerinnt, und ihn mit einem gezielten schlag außer reichweite der stromleitungen befördern? könnte es passieren, dass er sich bzw. mich dabei vor schreck anpisst? ich folgte meinen instinkten und begann mein lieblingslied zu singen: mimimimimimi. dass dies einer der größten hits der nowosindromsker werkskapelle the pissing tools ist, wurde mir erst bewusst, als ich an der theke der skurrilodrom bar stand und mich mit dem betrunkenen über psychokinese unterhielt.
max rasputin norden